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Systemische Qualitätsmerkmale in Aufstellungen

Systemische Qualitätsmerkmale in Aufstellungen

Ein Beitrag meiner Kollegen Holger Lier und Christiane Lier

Was macht die Qualität in einer systemischen Aufstellung aus? Welche Merkmale sind dabei zu beachten? Wie wirkt die eigene Haltung als Aufstellungs­leitung auf die Qualität von Aufstellungen?

Mit den folgenden Überlegungen und am Beispiel eines konkreten Falles möchten wir den Austausch über diese Fragen anregen.

 

Bereits in dem zu diesem Thema entstandenem Buch »Handbuch der Qualität in der Aufstellungs­leitung« von Nazarkiewicz und Kuschik wurde deutlich, wie schwer es ist, den Begriff Qualität für Aufstellungen beschreibbar zu machen. Für die Autorinnen gehört dazu, »die Qualität von guter Aufstellungs­arbeit genau zu betrachten, zu bestimmen und zu belegen sowie die Kriterien zu definieren, unter denen gute Aufstellungs­arbeit möglich ist« (Nazarkiewicz u. Kuschik, 2016, S. 7).


Unterschiedliche Qualitätsdimensionen

Zur Orientierung nennen Nazarkiewicz und Kuschik die drei Qualitäts­dimensionen, die das Gesundheits­wesen als Maßstab zur Qualitäts­sicherung einsetzt. Als Erstes ist die Struktur­qualität angegeben, die sich aus Rahmen­bedingungen wie u. a. aus der beruflichen Qualifikation der Aufstellungs­leitung ergibt. Als Zweites zählen sie die Prozess­qualität auf, die sich aus der Art und Weise, wie die Aufstellung durch­geführt wird, bestimmen lässt. Als Drittes weist die von ihnen benannte Ergebnis­qualität auf die Ziel­erreichung und damit auf die Zufriedenheit der Klienten mit dem erarbeiteten Anliegen hin.

 

In ihrem Handbuch steht die Qualität in der Aufstellungs­leitung im Mittelpunkt. Es kommen unterschiedliche Aufstellerinnen und deren Ansätze zu Wort, die die verschiedenen Merkmale einer qualitativen guten Leitung beschreiben. Die Qualität der Aufstellung wird hier u. a. an dem Erfahrungs­schatz, den Werten und der Haltung der Aufstellungs­leitung beschrieben.

Ein wesentlicher qualitativer Faktor liegt damit in der Person der Aufstellungs­leitung mit ihren eigenen persönlichen wie auch beruflichen Erfahrungen und Werten, die sich aus biografischen und trans­generationalen Prägungen ergeben.


Haltung

Die Haltung wird nach Blume (2016) als ein Verhältnis beschrieben, dass man sich selbst und der Welt gegenüber einnimmt. Nach ihrer Darstellung bewirkt eine Haltung ein spezifisches Verhalten und führt damit zu bestimmten Handlungen. Auch Bodirsky (2015) gibt der Haltung, die die Leitung in der Aufstellungs­arbeit mitbringt bezüglich der Qualität eine zentrale Rolle. So schreibt er: »Denn die Haltung bestimmt den Umgang mit den Klienten, sie bestimmt, wie man arbeitet, welche Methoden eingesetzt werden und wie sie eingesetzt werden.« (2015, S. 111).

 

Einen weiteren Einfluss auf die eigene Haltung und damit auf die Qualität als Aufstellungs­leitung haben die unter­schiedlichen Theorie­konstrukte der verschiedenen Psychotherapie­richtungen. Verschiedene therapeutische Vorgehens­weisen (z. B. psychoanalytisch, verhaltens­therapeutisch, phänomeno­logisch …) führen zu unterschied­lichen Haltungen gegenüber den Klientinnen und damit auch zu spezifischen Anwendungen der Methoden. So schreibt Ruppert: »Ein und dieselbe Methode wird in den Händen von verschiedenen Anwendern daher etwas völlig anderes, wenn deren theoretischen Konzepte sich unterscheiden« (2015, S. 338). Drexler beispielsweise spricht bei ihrer Vorgehensweise von einem »systemisch integrativen« Modell. In diesem sieht sie die Verbindung von »Prinzipien und Vorgehensweisen systemischer Therapie der Heidelberger Schule, der »klassischen« Aufstellungsarbeit und phänomeno­logische Konzepte aus psycho­dynamischen sowie körper­orientierten Therapie­traditionen« (Drexler, 2015, S. 10). Das zeigt, dass Aufstellungen sowohl in einer systemischen Haltung als auch in jeder anderen Haltung ausgeübt werden können.


Humanistische Ethik

Eine weitere Einflussgröße auf die Qualität von Aufstellungen ist das Einnehmen einer über­geordneten Haltung, die alle Therapie­schulen und Methoden mit einschließt. Sie kann mit dem Begriff »humanistische Ethik« umschrieben werden. Erkennbar ist sie auf der Handlungs­ebene daran, dass die meisten Verbände, die mit Therapie, Beratung und Fortbildung zu tun haben, einen Ethikbeirat besitzen und Ethik­richtlinien installiert haben. Die jeweiligen Mitglieder verpflichten sich, die damit verbundenen Werte einzuhalten. Der Verband Deutsche Gesellschaft für System­aufstellungen (DGfS) ist gerade in den über­geordneten Verband Forum Werte­orientierung in der Weiterbildung (FWW) aufgenommen worden und vermittelt nun im Bereich Weiter­bildung einen ethischen Berufskodex, der die humanis­tische Ethik genauer beschreibt (Forum Werte­orientierung in der Weiter­bildung e. V., 2017).


Systemische Aufstellungen und Systemaufstellungen – zwei unklare Begrifflichkeiten

Im ersten Buch über das Familienstellen »Zweierlei Glück« (Weber, 1993) wurde der Begriff systemisch im Untertitel verwendet: »die systemische Psycho­therapie Bert Hellingers«. Inzwischen gab es hier offen­sichtlich ein Umdenken und der Untertitel wurde geändert in: »das klassische Familien­stellen Bert Hellingers«, der Ausdruck systemisch wurde nicht weiter benutzt.

 

Die Verwendung des Begriffes systemisch in Zusammenhang mit Auf­stellungen hat lange zu einem Disput zwischen Therapeutinnen der beiden systemischen Verbänden der Deutschen Gesellschaft für Systemische Beratung, Therapie und Familien­therapie (DGSF) und der Systemi­schen Gesellschaft (SG) einerseits und der an Hellinger orientierten Therapeuten anderseits geführt. Denn damals wurde die Arbeitsweise nicht allein als eine Methode angesehen, sondern mit der Vorgehens­weise Hellingers und dessen Ausführungen gleichgesetzt. Einige systemische Therapeuten fanden, dass diese Art des Vorgehens mit ihrer systemischen Haltung nicht kompatibel war, und lehnten Aufstellungen deshalb ab. Da der Begriff systemisch nicht geschützt ist und damit von jedem anders defi t werden kann, lässt er sich auch folgender­maßen deuten: als Beschreibung, dass hier mit (Familien-)Systemen und ihren Mitgliedern gearbeitet wird. Diese begriffl  he Unklarheit ist bis heute zu fi  den (Lier u. Lier, 2015, S. 136 ff.). Im Internet werden inzwischen vorrangig die Wort­verbindungen systemische Aufstellungen oder auch System­aufstellungen benutzt. Damit ist weiterhin für Interessierte nicht erfassbar, ob der Anbietende mit einer systemischen Grundhaltung Aufstellungen durchführt, ob damit ausgedrückt werden soll, dass hier Systeme aufgestellt werden, oder ob sogar beides gemeint sein könnte.

 

Einzig von Kibéd und Sparrer (s. Sparrer, 2010) unter­scheiden sich mit Ihren Aufstellungs­formaten, indem sie einen geschützten Begriff benutzen: Systemische Struktur­aufstellung SySt®. Sie verbinden dadurch, dass der Klient bei ihnen als Experte seiner selbst betrachtet wird, konstruktivis­tische und lösungs­fokussierte Ideen mit der Aufstellungs­arbeit und drücken dies in ihrer Begrifflichkeit aus. Die Haltung der Aufstellungs­leitung wird wiederum mit den Begriffen Gastgeber oder Begleiter beschrieben: »damit soll diese innere Haltung verdeutlicht werden« (Frot, 2012, S. 199).


Trennung von Methode und Haltung

Inzwischen ist die Differenzierung so weit vorangekommen, dass die Methode als solche und verschiedene (therapeutische) Schulen mit ihren jeweiligen theoretischen Konzepten und den daraus resultie­renden Haltungen getrennt betrachtet werden können. Seit 2014 gibt es nun bei der DGSF (2019) eine Fachgruppe »Systemische Aufstellungen«, die eine Themen­sammlung mit Leitlinien zur »Qualitäts­sicherung für die Aufstellungs­leitung« veröffentlicht hat, die u. a. die Themen Ethik, Rahmen­bedingungen, Auftrags­klärung, Kontext­bezogenheit und klienten­zentriertes Vorgehen aus systemischer Sicht in Aufstellungen beschreibt.

 

Die Qualität der Aufstellungs­leitung wird demnach von verschiedenen Faktoren beeinflusst: zum einen von der Beachtung der ethischen Grund­haltungen, die ein Verband vorgeben kann, zum anderen durch die Blickwinkel der Therapie­schulen und deren Methoden und theoretischen Konzepte, und schließlich von den daraus resultie­renden Haltungen und Vorgehens­weisen dem Klienten gegenüber.


Wie können nun systemische Qualitätsmerkmale in einer Aufstellung beobachtet und beschrieben werden?

Das nachfolgende Fallbeispiel wurde in mehrere Abschnitte unterteilt, um daran die systemischen Merkmale der Prozess­qualität, wie sie von den Verbänden (DGSF, SG) beschrieben werden, aufzuzeigen. Da es eine größere methodische Schnitt­menge gibt, ist es durchaus mög­lich, dass sich auch andere Therapie­schulen in dem einen oder anderen Merkmal wiederfinden.


Systemische Qualitätsmerkmale

Transparenz und das Achten auf Gruppendynamik

 

Anmeldung

Im ersten Teil des Fallbeispiels wird der Schritt von der Anmeldung bis zum ersten Seminartag beschrieben.

Heidrun ist 35 Jahre alt. Sie hat seit fünf Jahren einen Partner und leidet darunter, dass es ihr schwerfällt, ihre Bedürfnisse zu äußern, und dass sie diese oft zurückstellt. Sie befürchtet, den Partner damit zu überfordern und ihn dadurch zu verlieren. Das möchte sie gerne verändern. Sie hat sich entschlossen, ihr Anliegen in einer Wochenend-Aufstellungs­gruppe zu bearbeiten. Bevor sie sich anmeldet, möchte sie noch einige Fragen klären: Mit wie vielen Aufstellungen muss sie an diesem Tag rechnen? Was kostet die Aufstellung? Soll sie ihren Partner mitbringen? Hat sie sicher genügend Zeit, um aufzustellen? Wie sind die Aufstellung­leiter ausgebildet? Sie meldet sich bei der Aufstellungs­leitung und bekommt das Angebot, ihr Anliegen in einem Vor­gespräch mit der Leitung zu erörtern. Sie entscheidet sich dafür, ihre Fragen telefonisch zu klären.

 

Das Seminar beginnt nun damit, allen Teilnehmer­innen das zu erwartende Geschehen transparent zu vermitteln. Heidrun wird von der Aufstellungs­leitung begrüßt. Über verschiedene Warming-up Übungen wird die Gruppe miteinander bekannt gemacht. Die Leitung spricht die Schweige­pflicht an und klärt die Anrede (Sie/Du) in der Gruppe ab. Sie erklärt die Methode (u. a. wie eine Frage bzw. der Auftrag gefunden wird), zeigt was thematisch alles aufgegriffen werden kann und wie aufgestellt wird. Sie erläutert, welche Rolle die Repräsen­tantinnen einnehmen und wie das Anfangs­bild über Abfragen, Umstellungen und Lösungs­sätzen zum Schluss­bild entwickelt wird. Der Gruppe wird erläutert, dass ein »inneres Bild« aufgestellt wird. Eine Aufstellung kann u. a. eine Situation verständlicher machen, einen Prozess neu anstoßen, ihn begleiten oder auch abschließen.

 

Die Klientin wird (telefonisch) möglichst umfassend über den organisato­rischen Rahmen wie Ort, Teilnehmer­zahl, zeitlicher Rahmen, Ablauf und Kosten informiert. Sie bekommt Informa­tionen über die Ausbildung und den Erfahrungen der Aufstellungs­leitung sowie das Angebot eines Vor- und Nach­gespräches. Des Weiteren werden mit ihr die Vor- und Nachteile besprochen, die sich ergeben, wenn ihr Partner dabei bzw. nicht dabei ist. Die Entscheidung darüber wird ihr über­lassen. Nicht nur die Transparenz, sondern auch der Umgang mit der Gruppen­dynamik macht die Qualität einer Aufstellungs­arbeit aus. Die Gruppe wird daher mit allem Wichtigen vertraut gemacht, wie z. B. dem Ablauf und der konkreten Vorgehens­weise, sowie mit den Grenzen und Möglich­keiten einer systemischen Aufstellung. Mit gezielten Übungen wird der Kontakt unter­einander gefördert, um ein vertrauens­volles Klima zu schaffen. Es werden Gruppen­regeln erläutert und eingeführt, die Sicherheit vermitteln.


Schutz und Sicherheit

 

Umgang mit Unsicherheit

Im Fallbeispiel formuliert die Klientin vorab ihre eigene Unsicherheit gegenüber der Gruppe.

Heidrun hat Bedenken, ihre Frage zunächst öffentlich vor der Gruppe zu erörtern. Die Aufstellungs­leitung gibt ihr die Gelegenheit, das Anliegen nur mit der Leitung zu klären. Sie kann anschließend entscheiden, was und wie viel sie von ihrem Anliegen in der Gruppe bekannt machen möchte.

 

Die Klientin wird in ihrem Schutz­bedürfnis ernst genommen und erhält die Sicher­heit, die sie benötigt, indem sie das Tempo und den Zeitpunkt bestimmen kann, wann, wie und ob sie ihr Anliegen bearbeiten möchte. Sie entscheidet auch, wann sie nach ihrer Einschät­zung genug Vertrauen zur Gruppe und zur Aufstellungs­leitung besitzt. Nachdem die Klientin des Fall­beispiels mehrere Aufstellungen miterlebt hat, hat sie genügend Vertrauen zu der Aufstellungs­leitung und zu den Teil­nehmern gefasst und bespricht ihr Anliegen in der Gruppe.


Auftragsklärung mit Ziel- und Lösungsorientierung

 

Auftragsklärung

Es folgt ein kurzer direkter Einblick in die Auftragsklärung mit der Klientin

Aufstellungsleitung (AL): »Was wäre anders für dich nach der Aufstellung?«

 

Heidrun (H): »Ich könnte meine Bedürf­nisse äußern und mich durchsetzen«

 

Heidrun berichtet nun, dass sie oft ein schlechtes Gewissen hat, wenn sie ihre Bedürfnisse äußert. Dies passiert ihr sowohl beim Partner als auch bei Freundinnen und Kolleginnen.

 

AL: »Was wäre noch anders?«

 

H: »Ich würde nachts nicht wach liegen und mir keine Gedanken machen«

 

AL: »Was wäre stattdessen?«

 

H: »Ich könnte durch­schlafen.«

 

Die Aufstellungsleitung befragt Heidrun daraufhin durch eine visualisierte Skalierung von 1–10, wie gut sie zurzeit ihre Bedürf­nisse äußern kann. Heidrun sieht sich momentan auf der 2 und möchte auf die 10 kommen. Sie glaubt, dass sie bei der 10 auch zu ihren Bedürf­nissen stehen könnte.

 

Al: »Angenommen du würdest nach der Aufstellung nicht auf der 10 sein, sondern bei der 2 bleiben oder »nur« auf die 3 kommen, wie wäre dies dann für dich?«

 

H: »Alles, was mich ein Stück weiterbringt ist gut, vielleicht darf ich nicht davon ausgehen, dass sich von heute auf morgen alles verändert.«

 

Mit der Klientin wird über systemische Frage­stellungen ein realis­tisches Ziel formuliert. Darüber hinaus kann die Methode der Skalierung zur Fein­justierung und zur späteren Überprüfung der Ziel­formulierung genutzt werden. Dieser Schritt ist schon ein wichtiger Teil des Prozesses und eine klare Orien­tierung für die Aufstellungs­leitung, um die Erwartungen der Klientin einzuordnen zu können. Die Visualisie­rung des Anliegens und die Nutzung der Skala unterstützen sowohl die Klientin wie auch die Aufstellungs­leitung darin, die Ausgangs­frage im Blick zu behalten.


Kontextklärung, Aufzeigen von Ressourcen durch Reframing, Hypothesenbildung, die Auftragsformulierung und das Einbeziehen der körperlichen Ebene

 

Kontextklärung

Im Fallbeispiel werden das Genogramm, das Erarbeiten von Glaubenssätzen, die Hypothesenbildung zur Kontextanalyse genutzt und das Formulieren einer Frage aufgezeigt.

Mit Heidrun wird das Genogramm zu ihrer Frage skizziert. Dabei werden biografische und trans­generationale Hypo­thesen bezüglich ihrer Glaubens­sätze formuliert. Heidrun glaubt, dass ihr Partner darunter leiden könnte, wenn sie ihre Wünsche äußern und durchsetzen würde. Es werden mehrere Glaubens­sätze erörtert u. a. der Satz: »Ich darf durch mein Verhalten niemanden schaden oder verletzen!«

 

Heidrun wird danach gefragt, wer in ihrem Familien­system Bedürfnisse geäußert und durchgesetzt habe und ob dies zum Nachteil von jemandem gewesen sei. Sie erinnert sich an die Mutter (GMv) ihres Vaters. Diese hatte sich von ihrem Groß­vater (GVv) getrennt, weil es für sie einen anderen Mann gab. Damals war ihr Vater 14 Jahre alt gewesen. Ihre »gefühlte Oma« (Stief-GMv) ist die zweite Frau des Großvaters.

Über ihre leibliche Groß­mutter hörte sie von ihrem Vater und von ihrem Groß­vater häufig: »Sie hat nur an sich gedacht!« Heidrun selbst hatte diese nur auf einem Bild gesehen. Ihr Vater hatte seit der Trennung seiner Eltern fast keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter.

 

Die Aufstellungs­leitung meint: »Deine leibliche Groß­mutter hat offen­sichtlich ihre Bedürf­nisse gelebt und konnte dazu stehen.« Heidrun ist erstaunt und sagt: »So habe ich das noch nicht gesehen.«

 

Im weiteren Verlauf der Auftrags­klärung wird auch das mütterliche System in den Blick genommen. Heidrun fi im Moment das väter­liche System zur Klärung ihrer Frage stimmiger. Daraufhin werden die unter­schiedlichen Blickwinkel des väterlichen Herkunfts­systems auf die Trennungs­situation erörtert und erfragt. Es wird überlegt, wer damals welche Konsequenzen zu tragen hatte. Heidrun erkennt, dass es einen Zusammen­hang zwischen der Leidens­geschichte ihres Vaters, ihrem unguten Gefühl, wenn sie ihre Bedürf­nisse ausdrücken will und der Angst ihren Partner zu verlieren, geben könnte. Zum Abschluss der Auftrags­klärung steht folgender Auftrag als Frage auf dem Flipchart: »Wie kann ich zu meinen Bedürf­nissen stehen und mögliche Konsequenzen tragen?« Die Aufstellungs­leitung fragt diesbezüglich: »Wo am Körper könntest du das spüren, wenn dein Ziel erreicht wäre?« und Heidrun antwortet: »Ich könnte freier atmen. Ich würde es hier am Brustkorb spüren.«

 

Mit der Methode der Genogramm­arbeit wird die Frage der Klientin in einen anderen Kontext gestellt. Zusammen­hänge im Familien­kontext werden untersucht und Glaubens­sätze und Hypo­thesen bezüglich ihres Anliegens formuliert. Erste Ressourcen werden z. B. durch Reframing aufgezeigt. Verschiedene Hypo­thesen werden formuliert, die Klientin kann entscheiden, welche davon für sie relevant sind. Durch die trans­generationale Sichtweise und die Zuordnung von Glaubens­sätzen in eine andere Zeit, können Zusammen­hänge anders gedeutet werden. Systemisch gesehen ist eine »Verstörung« der bisherigen Denk­muster gewünscht, um Konstrukte neu zu gestalten. Als Abschluss der Auftrags­klärung wird eine Frage ausformuliert. Mit der Klientin werden persön­liche Kriterien festgelegt, um später das Ziel anhand von bestimmten körper­lichen Merk­malen überprüfen zu können.


Transparenz zum Aufstellungsangebot und die Klientin als Expertin ihrer selbst

 

Aufstellungsangebote

Im Fallbeispiel erörtert die Aufstellungsleitung mit Heidrun verschiedene mögliche Aufstellungsformate zu ihrem Anliegen. Sie bietet ihr u. a. eine Ziel-Hindernis-Aufstellung (abstrakt), eine Aufstellung des Gegenwartssystems mit ihrem Partner (direkt) oder das väterliche Herkunftssystem (transgenerational) an.

Nach reiflichen Über­legungen entscheidet sich Heidrun für das väterliche Herkunftssystem.

 

Im weiteren Verlauf werden im Fall­beispiel die Personen für die Aufstellung festgelegt. Im Dialog mit Heidrun wird entschieden, welche Personen bezüglich des väterlichen Herkunfts­systems für die Aufstellung wichtig sind. Heidrun möchte den Großvater, die Groß­mutter, die Stief-Groß­mutter, ihren Vater und sich aufstellen.

 

Die Aufstellungs­leitung schlägt vor, auch den neuen Partner der leiblichen Großmutter dazu zunehmen (die Ursache für die Trennung). Heidrun möchte diesen zunächst nicht aufstellen. Die Aufstellungs­leitung empfiehlt diesen doch auszu­suchen und sitzen bleiben zu lassen (falls er noch gebraucht würde), damit ist sie einverstanden.

 

Mit der Klientin werden unter­schiedliche Aufstellungs­formate mit ihren Vor- und Nachteilen erörtert. Dies ermöglicht ihr Wahlfreiheit. Des Weiteren bestimmt sie den Zeitpunkt, wann und mit welcher Frage sie aufstellt. Sie wird, wie das Fallbeispiel zeigt, als Expertin für sich und ihr Anliegen gesehen. Die Aufstellungs­leitung gibt Anregungen und macht Angebote, die mit der Klientin zusammen besprochen werden. Die Entscheidungs­hoheit bleibt jedoch am Ende bei der Klientin.


Freiwilligkeit bei der Rollenübernahme

 

Stellvertreter finden

Im weiteren Verlauf des Fallbeispiels werden die Stellvertreter aus der Gruppe ausgewählt.

Heidrun benennt Person A für den Vater und Person B für die Großmutter (GMv). B möchte nicht Repräsentantin für die Großmutter sein. Daraufhin wählt Heidrun eine andere Person als Vertretung für die leibliche Großmutter und stellt diese dann auf.

 

Die Gruppen­mitglieder erhalten die Information, dass jeder eine Stell­vertretung ohne Begründung ablehnen kann. Es kann jemand anderes die Rolle übernehmen und beschreiben, was er als Repräsentant wahrnimmt. Ebenso ist es möglich, sich während der Aufstellung austauschen zu lassen. Die Aufstellungs­leitung arbeitet mit den Wahr­nehmungen der Stellvertretung, diese hat keine Verant­wortung für den Verlauf der Aufstellung.


Prozessorientierung und Prozessbegleitung

 

Das erste Bild

Das Fallbeispiel beschreibt das erste Bild mit der Hypothesenbildung.

Heidrun fällt auf, dass sie neben ihrem Vater steht und sich mit ihm zwischen der leiblichen Großmutter und ihrer Stief-Großmutter befindet. Ihr erster Erkenntnisgewinn ist, dass sie beinahe wie eine Partnerin neben ihrem Vater steht und wie er auf ihren Groß­vater und ihre Stief-Groß­mutter schaut. Sie bemerkt, dass sie sich umdrehen müsste, wenn sie ihre leibliche Großmutter anschauen wollte. Nach der ersten Abfrage ist Heidrun ganz still. Die Auf­stellungs­leitung fragt sie, was in ihr vorgeht. Sie ist berührt. Die Aufstellung wird erst fort­geführt, als Heidrun mit ihrer Aufmerk­samkeit wieder folgen kann. Heidrun bemerkt, dass die leibliche Groß­mutter zu ihrem neuen Partner schaut, der noch auf dem Stuhl sitzt. Beide schauen sich an. Die Leitung schlägt vor, dass sich der neue Partner dazu stellen soll. Heidrun findet das nun auch schlüssig. Der Partner der Großmutter stellt sich sofort neben diese. Heidrun hat Tränen in den Augen und ist sehr bewegt: »Man sieht, dass sich die beiden sehr nahe sind.«

 

Die Aufstellungs­leitung wiederholt die Hypothese, dass die leibliche Groß­mutter für ihre Bedürf­nisse und für ihre Liebe einge­standen ist, dies wird durch die Aussagen der Stell­vertretung bestätigt.

 

Die Klientin bleibt im Fokus. Es wird darauf geachtet, wie es ihr geht und welche Schritte sie in welchem Tempo mitgehen kann. Es kann sein, dass sie Zeit braucht oder dass sie eine Erklä­rung oder eine Wiederholung des gerade Gesehenen und Gehörten benötigt.


Respekt vor der Stellvertretung und der Umgang mit Lösungssätzen

 

Lösungsweg

Durch Umstellungen und Aussprechen von Lösungssätzen wird im Fallbeispiel die Dynamik verdeutlicht.

Es wird in der Aufstellung klar, dass es schon vor der Trennung zwischen den leiblichen Großeltern einen Abstand gab. Die leibliche Großmutter spricht das aus. Sie drückt ebenfalls aus, dass sie nicht damit gerechnet hatte, dass der gemeinsame Sohn beim Vater bleiben würde und es für sie sehr schwer gewesen sei, auf ihn verzichten zu müssen. Durch die Äußerungen des Vaters und des Groß­vaters werden weitere Dynamiken deutlich. Heidrun beginnt zu verstehen, dass sich das Leid für jede Person anders darstellt und sich der Paarkonflikt der Groß­eltern auf ihren Vater und auf sie ausgewirkt hat. Sie erkennt in der Aufstellung zwei Seiten von sich wieder, einerseits den Wunsch, zu den eigenen Bedürf­nissen zu stehen, und anderseits die Angst vor den Konse­quenzen dieses Wunsches, möglicherweise mit den eigenen Bedürfnissen jemanden zu verletzen. Sie versteht nun, warum sie bisher die Auswir­kungen eigener Bedürfnisse vermieden hat. Im Laufe der Aufstellung kann der Vater »seinen« Platz als Sohn vor der Mutter und seiner Stief­mutter einnehmen und Heidrun bekommt »ihren« Platz als Enkel­tochter, so dass sie ebenfalls beide Großmütter in den Blick nehmen kann. Dadurch verändert sich ihr Gefühl zur leiblichen Groß­mutter. Die Aufstellungs­leitung schlägt einen Lösungssatz vor. Der Stell­vertreter kann ihn nicht aussprechen. Die Leitung hört, was der Stellvertreter sagen würde und formuliert den Satz um. So kann er nun ausgesprochen werden. Dies wird auch vom Empfänger des Satzes als »stimmig« bestätigt. Im weiteren Verlauf zeigt die Repräsen­tantin der leiblichen Großmutter heftige Gefühle. Die Aufstellungs­leitung bittet die Stell­vertretung nur 50 % der Emotionen der Großmutter zu über­nehmen, dies kann die Stell­vertreterin der Groß­mutter sofort erleichtert umsetzen.

 

Es wird gewürdigt und ausge­sprochen was gespürt wird. Damit wird die Dynamik der Aufstellung geachtet. Niemand wird gezwungen einen bestimmten Satz zu sagen. Lösungsätze sind als Angebote zu verstehen und geben einen Hinweis auf den Prozess, wenn sie (noch) nicht gesagt werden können. Die Stell­vertretung wird bei starken Emotionen angeleitet, sich innerlich so zu distanzieren, dass sie die Rolle weiter übernehmen kann.


Verdeutlichung der Veränderungen und die Überprüfung des angestrebten Zieles (mit Hilfe von Skalierung)

 

Abschlussbild

Im Fallbeispiel wird das Schlussbild herausgearbeitet und das Ziel überprüft.

Heidrun wird gefragt, ob sie den Platz ihrer Stellver­treterin einnehmen möchte. Diesem stimmt sie zu und stellt sich in die Aufstellung. Sie möchte die Sätze noch einmal hören. Der Stell­vertreter des Großvaters sagt zu ihr: »Das ist deine leibliche Groß­mutter Anna und zeigt auf diese. Ute ist meine neue Partnerin, sie ist deine soziale Groß­mutter. Heidrun möchte auf ihre leibliche Groß­mutter zugehen. Die Aufstellungs­leitung bestärkt sie darin. Sie nimmt das erste Mal Kontakt mit ihrer leiblichen Groß­mutter auf. Die Aufstellungs­leitung gibt ihr Zeit und fragt anschließend, wie sie jetzt zu ihrer Ausgangs­frage steht (was kann ich tun, um zu meinen Bedürf­nissen zu stehen?), die nochmals vorgelesen wird. Heidrun gibt an, jetzt auf der Skala bei 5/6 zu stehen. Sie bemerkt, dass das Ansprechen von Tat­sachen und Bedürf­nissen damals für alle not­wendig gewesen wäre. Dann denkt sie an ihre Partner­schaft und ihre Bedürf­nisse: »Wenn ich mir vorher die möglichen Konsequenzen überlege und mir bewusst mache, ob ich sie tragen könnte, kann ich zumindest in einem ersten Schritt meine Bedürf­nisse äußern. Und wenn sie mir wichtig sind, kann ich sie genauso vertreten, wie meine leibliche Großmutter.« Gleichzeitig nimmt sie ein neues, anderes Gefühl zu ihrer Großmutter wahr.

 

Die Aufstellungs­leitung begleitet den Prozess der Klientin. Diese steht jetzt ganz im Fokus. Es wird darauf geachtet, dass sie die einzelnen Schritte nachvoll­ziehen kann. Sie kann selbst mit in die Aufstellung hinter ihre Stell­vertretung treten, oder zu jedem Zeitpunkt in die Beobachter­rolle zurückgehen, um damit in eine größere Distanz zur Aufstellung zu kommen. Die Aufstellungs­leitung richtet die Aufmerk­samkeit darauf, was sie noch braucht, um ein stimmiges Schluss­bild aufnehmen zu können. Anhand der Abfrage der anfangs skizzierten Merkmale lässt sich ein Prozess verdeutlichen. Durch die Bewusst­machung wird die Veränderung festgehalten. Über die erste Skalierung wird ein Unter­schied zur Skalierung am Ende der Auf­stellung herausgearbeitet.


Verankern von neuen Sichtweisen

 

Verankerung

Im Fallbeispiel wird das Abschlussbild verankert.

Als Heidrun in der Aufstellung ihren Platz eingenommen hat, überprüft sie, ob sie die zuvor geäußerten körper­lichen Empfin­dungen spürt. Sie kann nun freier atmen. Sie legt die Hand auf ihren Brustkorb. Damit verankert sie das neue Bild und das damit verbundene neue Gefühl. Die Aufstellungs­leitung rät: »Wenn du das nächste Mal deine Bedürf­nisse spürst, lege deine Hand auf den Brustkorb und probiere aus, ob du sie als Wunsch äußern kannst.«

 

Es wird darauf geachtet, dass die Klientin dem Schluss­bild zustimmen kann. Bestimmte Sätze können nochmals wiederholt oder von ihr selbst ausgesprochen werden. Das neue Bild und die neuen Sicht­weisen werden mit möglichst vielen Sinnen passend verankert, dazu können Körper­empfindungen und eine Körpergeste nützlich sein. Die anfangs in Bezug auf die Ziel­erreichung gesammelten Merkmale werden über­prüft. Die Verantwortung für ihre Verän­derung wird bei der Klientin gelassen.


Abschließen von noch offenen Aufstellungs- und Gruppenprozessen

 

Entlassen aus den Rollen und Abschluss des Falles

Nun werden im Fallbeispiel die Repräsentanten von ihren Rollen entbunden.

Durch ein Rückgabe­ritual (Klientin nimmt mit geöffneten Händen die Rollen zurück) werden die Repräsentan­tinnen aus den Rollen entlassen. Ein Stell­vertreter ist nach der Pause noch irritiert und spürt einen Ärger. Die Aufstellungs­leitung bietet ein weiteres Rückgaberituale an (übernimmt mit der kataleptischen Hand den Platz, lässt Stell­vertreter aus der Rolle treten, Schritte rückwärts gehen und seinen Namen und Alter nennen). Die Leitung klärt die übriggebliebenen Gefühle und stellt sie in den übergeordneten Zusammen­hang. So kann z. B. die Möglich­keit bestehen, dass der Stellvertreter in Resonanz mit eigenen ähnlichen Themen gekommen ist. Die Leitung hilft dabei, dies zu unter­scheiden. Im Fallbeispiel bietet sie eine Imaginations­übung zur Verankerung des Abschluss­bildes an, offene Fragen werden noch beantwortet. Eine Teil­nehmerin fragt, ob Heidrun ihrem Vater davon erzählen solle. Die Leitung erörtert die Vor- und Nachteile und gibt zu bedenken, dass es nur Heidruns subjektive Erfahrung sei und damit auch ihre subjektive Lösung. Es bleibt offen, wie sich ihre veränderte Haltung auf ihren Vater auswirkt. Wichtig ist zunächst, dass Heidrun die neue Haltung zu ihrem Partner mitnimmt und dort im Alltag prüfen kann, wie sie ihm ihre Bedürfnisse jetzt mitteilen kann.

 

Alle Beteiligten werden durch Rituale unterstützt, die Stellvertreter­rolle abzulegen. Ihnen wird für die Bereitschaft der Rollen­übernahme gedankt. Es werden Lösungen bzw. günstigere Bilder durch die Imagina­tion noch einmal verankert, das Abschluss­bild wird als ein Schritt im Prozess angesehen.


Erreichbarkeit der Aufstellungsleitung

 

Nachbetreuung

Im Fallbeispiel wird eine Nachbetreuung gewünscht.

Heidrun meldet sich ein paar Tage später und hat Fragen zum Abschluss­bild. Es wird ein Nach­besprechungs­termin vereinbart.

 

Der begonnene Prozess ist mit dem Ende des Seminars nicht unbedingt abgeschlossen. Er wird auf Wunsch weiter­geführt und die Klientin wird darin bei dem sich entwickelnden Prozess begleitet. Eventuell beginnt eine erneute Auftrags­klärung mit einer neuen Fragestellung.


Systemische Qualitätskriterien in der Zusammenfassung

Für die Prozess­qualität können die im Beispiel genannten systemischen Qualitäts­merkmale als Kennzeichen herangezogen und entsprechend genutzt werden. Auch Christiane und Alexander Sautter nennen in ihrem Buch »Aufstellen systemisch richtig!« ähnliche Kriterien (2016, S. 143 ff.).

 

Eine zentrale Bedeutung im systemischen Vorgehen hat die Klärung des Auftrags. Dies ist eine wesentliche Praktik, um klienten­orientiert herauszufinden, wozu die Aufstellung nützlich sein soll und welche Verände­rungen gewünscht werden. Dazu gehört aus systemischer Sicht die Kontext­klärung, z. B. über ein Genogramm, eine Netzwerk­karte oder ein Organigramm. Es werden erste Verbindungen und Hypothesen zur Frage aufgezeigt, die auch durch trans­generationale Erfahrungen entstanden sein können, wie es in dem Fallbeispiel (s. o.) ersichtlich ist. Über den anfangs formulierten Auftrag kann am Ende einer Aufstellung die Ergebnis­qualität fest­gestellt werden. Anhand der vorgegebenen Ziel­formulierungen kann das gewünschte Ergebnis überprüft werden. Die subjektiven Aussagen der Klientin geben darüber Auskunft, ob und in welchem Maß das Ziel erreicht wurde.


Weitere, auch am Fallbeispiel ersichtliche Merkmale sollen hier noch einmal kurz zusammengefasst werden:

  • das Herstellen von Transparenz in Bezug auf Rahmen und Vorgehensweise,
  • die Zielformulierung und die Lösungsorientierung in der Auftragserarbeitung,
  • die Klärung des Kontextes,
  • das Aufzeigen von Ressourcen,
  • die Bildung von Hypothesen und der Umgang mit der Deutungshoheit, die Annahme, dass der Klient der beste Experte seiner selbst ist,
  • die Orientierung am Prozess der Klientin,
  • eine erschließende, wertschätzende Haltung gegenüber Klienten,
  • die Vermittlung von Schutz und Sicherheit für Klientinnen,
  • die Verdeutlichung des Veränderungsprozesses (z. B. mit Skalenarbeit),
  • die Verankerung neuer Sichtweisen am Schluss der Aufstellung,
  • die Erreichbarkeit der Leitung auch vor und nach einer Aufstellung.

Ein besonderes Augenmerk richtet sich auf den Umgang mit Gruppen. Folgende Faktoren haben dort eine wesentliche Bedeutung:

  • das Bedürfnis nach Schutz und Sicherheit aller Teilnehmerinnen in der Gruppe zu erfüllen,
  • Transparenz in allen Vorgehensweisen herzustellen,
  • der Beachtung von Gruppen­absprachen hohen Wert beizumessen,
  • Wertschätzung und Respekt für alle Teilnehmer und insbesondere für die Stellver­tretungen auszudrücken,
  • für alle Teilnehmerinnen Ansprech­barkeit und Präsenz zu zeigen,
  • offene Gruppen­prozesse zu erkennen und zu händeln.

Abschließende Betrachtung

Anhand von diesen zusammengefassten Qualitäts­kriterien kann eine systemisch arbeitende Aufstellungs­leitung ihre eigene Haltung und ihre Vorgehens­weise reflektieren. Sie kann damit immer wieder überprüfen, ob und wie sie in Resonanz mit den oben genannten Faktoren ist. Je authentischer dies möglich ist, desto klarer ist die qualitative Wirkung nach außen.

 

Klienten können durch diese Merkmale für sich abwägen, ob die Aufstellungs­leitung mit einer »systemischen Haltung« arbeitet. Dazu ist es notwendig, dass die Aufstellungs­leitung diese Punkte transparent macht.

Die Kunst als Leitung besteht also darin, die richtige Balance zwischen den eigenen Werten, der Haltung der (eigenen) therapeuti­schen Schule und den ethischen Vorgaben eines Verbandes zu finden. Diese Mischung ist auf der Handlungs­ebene der Klientin gegenüber so umzusetzen, dass diese davon einen erfahrbaren Nutzen erlangen kann.

 

So sind wir immer wieder aufgefordert, unsere Haltungen und Einstellungen durch Fortbildungen, kollegialen Austausch, Supervision und ethischen Frage­stellungen zu hinter­fragen und uns eventuell neu auszurichten.


Der Beitrag "Systemische Qualitätsmerkmale in Aufstellungen" ist erschienen in dem Buch "Praxis der Systemaufstellung, Aufstellungen im Arbeitskontext". Vandenhoeck Verlag, 2020


Literatur

  • Bodirsky, C. (2015). Betrachtungen zur Qualität in der Leitung von Familienaufstellungen. Kontext. Zeitschrift für systemische Therapie und Familientherapie, 46 (2), 110–124.
  • Blume, R. G. (2016). Systemische Ethik. Orientierung in der globalen Selbstorganisation. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Daimler, R. (2008). Basics der systemischen Strukturaufstellungen. Eine Anleitung für Einsteiger und Fortgeschrittene. München: Kösel.
  • DGSF (2003). Stellungnahme zum Thema Familienaufstellungen. Zugriff am 18.01.2019 unter http://www.dgsf.org/themen/berufspolitik/hellinger.htm
  • DGSF (2012). Ethische Richtlinien der DGSF – Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie. Zugriff am 14.02.2019 unter http://www.dgsf.org/dgsf/ ethik-richtlinien.htm
  • DGFS (2019). Qualitätssicherung für die Aufstellungsleitung. Eine Themensammlung der DGSF-Fachgruppe Systemische Aufstellungen. Zugriff am 18.01.2019 unter https://www. dgsf.org/ueber-uns/gruppen/fachgruppen/fachgruppe-systemische-aufstellungen/qualitaetssicherung
  • Drexler, D. (2015). Einführung in die Praxis der Systemaufstellungen. Heidelberg: Carl-Auer.
  • Forum Werteorientierung in der Weiterbildung e. V. (2017). Zugriff am 12.01. 2019 unter: https:// forumwerteorientierung.de/wp-content/uploads/2017/05/BK-deutsch-Berufskodex-für-die-Weiterbildung_2017–1.pdf
  • Frot, P. (2012). Lexikon des Familienstellens und der systemischen Aufstellungsarbeit. Darmstadt: Schirner Verlag.
  • Lier, C., Lier, H. (2015). Aufstellungsarbeit in der Supervision und die systemische Haltung. Kontext. Zeitschrift für systemische Therapie und Familientherapie, 46 (2), 125–139.
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  • K. Kuschik (Hrsg.), Handbuch. Qualität in der Aufstellungsleitung (S. 11–57). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
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  • Sautter, C., Sautter, A. (2016). Aufstellen systemisch richtig! Was Sie über Aufstellungen wissen sollten und wie Sie sich darauf vorbereiten können. Ravensburg: Sautter-Verlag für systemische Konzepte.
  • Sparrer, I. (2010). Einführung in die Lösungsfokussierung und systemische Strukturaufstellung (2. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer.
  • Verbändetreffen gegen Grenzverletzungen und sexuellen Missbrauch in Psychotherapie und psychosozialer Beratung (2011) Information für KlientInnen. Zugriff am 10.02.2019 unter http:// www.verbaendetreffen.de/information.html
  • Weber, G. (Hrsg.) (1993) Zweierlei Glück. Die systemische Psychotherapie Bert Hellingers. Heidelberg: Carl-Auer.